„Mit welcher Airline fliegst du?“, fragt Simone, die mich zum Flughafen gefahren hat.  „Äh, Atlanta“, sage ich, halb betrunken, halb verkatert. „Von der hab ich noch nie was gehört“, sagt sie. Kein Wunder, diese Airline gibt es nicht. Was ich in meinem Delirium nicht peile, ist: Ich fliege mit der Airline Delta in die Stadt Atlanta.Und Atlanta ist einen 5-stündigen Inlandsflug von San Francisco entfernt und das wiederum eine knappe Stunde Zugfahrt vom Ziel: Palo Alto in der SF Bay.

Zu meiner Verteidigung, am Tag zuvor habe ich meine Diplomarbeit abgegeben – nach etwa vier Wochen Dauerstress und viel zu wenig Schlaf. Dann ging es ohne Verschnaufpause weiter mit Wohnung ausräumen und abgeben. Als am Abend alles erledigt war, ist der Druck schlagartig von mir abgefallen und das Bier nie besser geschmeckt. Ein lustiger Abend mit den alten Studienkollegen in einer Regensburger Kneipe, frei nach dem Motto: Früh um sechs geht der Flug, aber egal – „Carpe diem!“

Nach etwa einer Stunde Schlaf, hat mich Simone von ihrer Couch geschmissen, mich mitsamt Gepäck ins Auto geladen und mich nach München zum Flughafen transportiert. Dort hat sie sich in Ruhe mit mir hingesetzt und das Atlanta/Delta-Problem gelöst. Hiermit noch einmal ein großes „Dankeschön“, denn ohne sie wäre ich nie in den USA angekommen.

Ich saß dann zwar im Flieger, aber damit fing der Stress erst richtig an. Denn die Zeit mich über kleine Details zu informieren, hatte ich vorher nicht. Es hat mir erst ganz langsam gedämmert, dass an dem Tag eigentlich zwei Flüge anstanden. In Atlanta musste ich meine fünf Taschen noch einmal abholen und durch die Kontrolle schleppen. Ich hatte Gepäck für die nächsten neun Monate dabei, die Dauer meines Praktikums.

Meine Kreditkarte hat nicht funktioniert (am nächsten Tag ging sie wieder) und ich konnte mir nicht einmal ein Abendessen finanzieren. Wer denkt denn schon daran, sich vorher die Landeswährung zu besorgen? Um Mitternacht stand ich also in San Francisco. Der Couchsurfer, bei dem ich übernachten wollte, ging nicht ans Telefon. Auch kein Wunder, wir hatten ja abends um 17.00 vereinbart (Zeitpunkt meiner Ankunft in Atlanta). Natürlich hätte ich einfach ein Motelzimmer neben dem Flughafen mieten und am nächsten Tag nach Palo Alto fahren können. Denken war an dem Tag nicht meine Stärke. Zu meiner Verteidigung, ich wusste nicht, dass der Bahnhof in Palo Alto komplett ausgestorben sein würde, alles finster und kein einziges Taxi in Sichtweite. Tränenüberströmt hab ich Simone angerufen und sie gebeten, sie möchte mir doch via Internet ein Hotel in der Nähe suchen (2008 waren Smartphones noch nicht so populär). Meine fünf schweren Taschen habe ich die Straße runtergeschleppt, bis am Horizont die Beleuchtung eines Four Seasons auftauchte (oder eines ähnlich teuren Hotels). Dort bin ich dann verschwitzt in die Rezeption gekrochen und hab gefleht: „Ich kann mir bei euch kein Zimmer leisten, aber bitte helft mir!“ Haben sie tatsächlich gemacht und mir ein Taxi für ein billiges „Motel 6“ am El Camino gerufen.

Dieses Erlebnis war der Anstoß für meinen damaligen Reiseblog „Murphys Law“, was schief gehen kann, geht schief. Nachdem ich den „Worst Case“ einmal erlebt habe, befürchte ich natürlich immer das Schlimmste.

Vor allem, dieses Mal gibt es wieder ein paar Risikofaktoren. Ich komme morgen um vier Uhr früh in Moskau an, muss dann meine Transsibirische Eisenbahn-Tickets im russischen Reisebüro abholen und dann den richtigen Bahnhof finden -alles ohne ein Wort russisch zu sprechen, geschweige denn kyrillische Buchstaben lesen zu können. Russische Wörter sind für das ungeübte Auge erschreckend lang und haben nur wenig Wiedererkennungswert. Bei den Vorbereitungen hat zumindest alles geklappt, beim ersten Flug von Nürnberg nach Wien auch. Jetzt sitze ich am Wiener Flughafen und trinke erst mal ein Bier (nur eins!). Bisher ist der Reisestress noch nicht ausgebrochen.

Und hier noch ein Reisetipp: Man denkt immer, man hat etwas vergessen. Solange man aber Reisepass, Kreditkarte und Tickets dabei hat, ist alles gut. Unterhosen gibts in anderen Ländern auch, so Zeug kann man auch vor Ort kaufen.

Selbstverständlich sollte man sich immer im Voraus informieren, ob es komplizierte Umstiege gibt. 😉