„Das ist mir scheißegal!“ ruft Sasha und zieht dabei die Augenbrauen in die Stirn. Wir lachen. „Das hört sich schon ziemlich deutsch an“, lobe ich. Sasha ist mein „Couchsurfing-Host“ in Irkutsk. Er wohnt in einer großen zwei Zimmer Wohnung mitten in der Stadt. Er ist Programmierer und spricht ausgezeichnet Englisch – eine willkommene Abwechslung zu meinen bisherigen Begegnungen mit den Russen.

Sasha hat kurzfristig seine Freunde eingeladen und wir sitzen zu viert bei ihm zuhause und trinken Bier aus Plastikflaschen ohne Aufkleber. Ich frage, wo es herkommt, aber sie grinsen nur und antworten „Homebrew“. Die Ehefrau von Sashas Arbeitskollegen ist zunächst zu schüchtern, um Englisch zu sprechen, aber das ändert sich nach dem dritten Bier. Zum Beispiel reden wir über Autos, wie furchtbar die russischen Ladas sind, und wie teuer die japanischen Modelle. Sashas Arbeitskollege hat sich eben einen Honda Civic, Baujahr 2005 gekauft, für umgerechnet 10000 Dollar. Wie in den USA, müsse man in Russland oft große Distanzen zurücklegen mit dem Unterschied, dass die Fahrbahnen teilweise nur schlecht befestigt sind.

 

 

Wie holprig die russischen Landstraßen sind, sollte ich noch am eigenen Leib erfahren – am nächsten Tag während einer 6-stündigen Busfahrt zur Insel Olchon im Baikalsee.Die Bustickets habe ich heute gebucht – das Ergebnis einer mehrstündigen Odyssee durch Irkutsk. Der Busbahnhof liegt am anderen Ende der Stadt, vom Zugbahnhof aus betrachtet. Sasha hat mir zuvor noch einen Stadtplan herausgesucht, den ich dann in der Wohnung habe liegen lassen. „Dann frage ich mich eben durch“, hab ich mir gedacht. Das war nicht so einfach, entweder verstanden die Leute kein Englisch, wussten nicht wo die Station war, oder deuteten überzeugend in die falsche Richtung.

Dies war die Fortsetzung meiner Vormittags-Odyssee, als ich nach Sashas Wohnung gesucht habe. „Ruf mich an, wenn du da bist“, hat er in seiner Email geschrieben. In die Nähe der Wohnung habe ich noch mit meinem ausgedruckten Stadtplan gefunden, aber dann war ich aufgeschmissen. Mein Smartphone hatte ich in Deutschland gelassen, weil die Roamingkosten zu hoch gewesen wären. Die österreichische Bobkarte in meinem alten Nokia 3310 war nutzlos, weil sie keinen Empfang hatte. Also habe ich die deutsche T-Mobilekarte aus meiner Tasche gekramt, natürlich nicht ohne zuvor den gesamten Inhalt auf der Straße zu verstreuen. Die T-Mobilekarte hatte zum Glück Empfang und ich konnte Sasha erreichen. „Wo bist du?“ „Hm, gute Frage“, ich schaue mich um, alle Straßennamen in kyrillischen Buchstaben. Bevor ich zu lesen anfangen konnte, war das Guthaben und damit auch das Telefonat weg. Das Geld hat gerade noch für eine SMS gereicht, mit dem Namen der Straßenecke, an der ich stand. Letztenendes hat es geklappt, aber gerade noch so.

Hier mein Reisetipp: Nehmt das Smartphone mit. In Russland gibt es ziemlich günstige Telefonkarten mit Datenroaming. Mit Google Maps und Telefonaten vor Ort kann man sich solche Episoden sparen.

Was hätte ich nur ohne Sasha gemacht. Er hat mir viele nützliche Tipps gegeben. Zum Beipiel, dass ich mir das nahe aber teure Listvianka sparen und gleich auf die Insel Olchon fahren soll. Während dieser zwei Tage könne ich einen Teil meiner Sachen bei ihm lassen und Unterkünfte gibt’s dort zur Genüge. Die Reise und die Insel selbst sind aber eine andere Geschichte.

An diesem Abend reden wir auch über unsere Muttersprachen. Die Russen werfen mir vor, dass sich deutsch ziemlich unfreundlich anhört. „Das müsst gerade ihr sagen!“ protestiere ich. Zum Beweis läd Sasha einige Youtube-Videos: „Deutsch im Vergleich mit anderen Sprachen“ Darin sieht man Sequenzen in denen als Spanier, Franzosen und Engländer verkleidete Leute verschiedene Wörter säuseln wie zum Beispiel Surprise, Surpris und dann ein deutscher mit dem Bier in der Hand, grantig  hineinplärrt „Überraschung!“ So sind wir darauf gekommen und Sasha fängt an mich nach anderen deutschen Worten zu fragen. Zu meiner Überraschung hört sich die Übersetzung immer so rauh an, dass ich auch mitlachen muss.

„Das ist mir scheißegal!“ wird Sashas Lieblingsspruch. Er erinnert sich auch drei Tage später noch daran. Im Gegenzug bringt er mir russisch bei: „Gdje blie Avtobusza?“ Übersetzt: „Wo ist der Scheißbus?“