Ein Zoobesuch im Winter ist eine einsame Angelegenheit. An diesem Montag Morgen gibt es kaum Besucher. Die meisten Angestellten sind mit Schneeschippen beschäftigt. Neben dem Krächzen aus den Greifvogelvolieren, hört man nur das Kratzen der Schaufeln auf dem Asphalt. Die meisten der verschneiten Gehege stehen leer. Eine Frau mit ihrem Kind sucht vergeblich nach den Giraffen. Die Tiere aus den warmen Gefilden sind weggesperrt. Heute gibt es keine Elefanten, Zebras oder Giraffen. Nur die winterfesten Zooinsassen haben heute Hofgang: Wölfe und Bären, aber auch die Tiger.
In Zukunft plant der Almaty Zoo eine kasachische Sektion einzurichten, mit ausschließlich heimischen Tieren. Auch Schneeleoparden sind Teil der Fauna in Kasachstan. Derzeit gibt es drei im Almaty Zoo: zwei Männchen, Leader und Pirat und ein Weibchen, Binal. Während Binal, kerngesund, aus einem Zoo in Tschechien eingeflogen wurde, haben Leader und Pirat eine recht außergewöhnliche Geschichte hinter sich.
Sie wurden in Kirgistan geboren, im Wildtier-Reha-Zentrum des Deutschen Naturschutzbundes (NABU) am Issyk-Kul. Ihre Eltern stammen aus den Tienschan-Bergen. Sie wurden aus den Fangeisen der Wilderer gerettet. Ihre Pfoten waren zu sehr verstümmelt, um in freier Wildbahn zu überleben. 2009 gab es dann einen versehentlichen Zuchterfolg. Von den vier Jungtieren waren zwei männlich und zwei weiblich. Während die beiden Weibchen, kerngesund, heute noch immer im Reha-Zentrum leben, machte sich bei Leader und Pirat schon früh eine Augenkrankheit bemerkbar.
Schneeleopard Pirat
Ein sogenanntes Kolobom ist eine angeborene Spaltbildung des Auges. Diese kann die Linse, die Iris oder, wie bei den beiden Leoparden, das Lid betreffen. Es sieht dann so aus, als wäre das Lid über das Auge gewachsen. Die beiden Schneeleoparden waren fast blind, als der NABU sie an den Almaty Zoo abgab. Dort hatte man die nötigen Verbindungen, um den Tieren medizinisch zu helfen.
Schneeleopard Leader
Im April 2012 bat der Almaty Zoo den Augenarzt Sultankulov Banu darum, die beiden Schneeleoparden zu behandeln. Er willigte ein und führte die Operation sogar kostenlos durch. Knapp zwei Stunden war das Team pro Leopard beschäftigt. Ein Tierarzt war als Berater dabei, denn Banu hatte vorher nur an Menschen operiert. Der Eingriff war erfolgreich und das Sehvermögen der beiden Tiere konnte zu 40 Prozent wieder hergestellt werden.
Schneeleopardin Binal
Ahmetova Zhunnat ist die Chefin der Internationalen Abteilung des Almaty Zoo. Sie ist stolz auf den medizinischen Erfolg und sagt: „Uns ist da eine sehr seltene Operation gelungen.“ Als Wermutstropfen fügt sie hinzu: „Wären die Tiere früher operiert worden, hätten wir noch bessere Resultate erzielen können.“
Knapp zwei Jahre sind seit der Operation vergangen und Leader und Pirat leben noch immer im Almaty Zoo. Dass mit ihren Augen etwas nicht stimmt, merkt man den Großkatzen an. In ihren Bewegungen fehlt das Selbstbewußtsein und ihr Blick ist nicht so wach und aufmerksam, wie der von Binal. Die tschechische Schneeleoparden-Dame schleicht wie ein Gespenst durch ihr Gehege. Die Menschen beobachtet sie mißtrauisch aus der Ferne. Bei ihr erkennt man ihn noch, den „Geist der Berge“.
im Bild ganz rechts: Ahmetova Zhunnat, Chefin der Internationalen Abteilung des Almaty Zoo; in der Mitte, in blau: Augenspezialist Sultankulov Banu
Dieses Jahr möchte der Zoo mit Leader und Binal einen Zuchtversuch starten, Pirat ist seit seiner Geburt steril. „Inwiefern das verminderte Sehvermögen auf die Paarung Einfluss hat, können wir jetzt noch nicht sagen“, erklärt Zhunnat. Es wird sich herausstellen, ob es mit der „Liebe auf den ersten Blick“ trotzdem klappt.
alle Fotos, außer OP-Fotos: Lochner
Die Fotos von der Operation wurden freundlicherweise vom Almaty Zoo zur Verfügung gestellt.
Hier eine Video-Dokumentation eines ähnlichen Eingriffs im Philadelphia Zoo:
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