Irgendwann zu Beginn des Biologie-Studiums habe ich mich für Eco-Volunteering interessiert und fleißig gegoogelt. Dabei bin ich auf ein Schneeleoparden-Projekt in Kirgistan gestoßen. „Keine Ahnung, wo das ist“, dachte ich damals, „also genau mein Ding.“ Allerdings hat es zu viel gekostet und ich habe mich nicht weiter damit beschäftigt.

Im Hinterkopf ist es aber trotzdem geblieben und jedes Mal, wenn ich vom Labor die Schnauze voll hatte, dachte ich – laut oder leise – „Ihr könnt mich alle, ich geh‘ Schneeleoparden zählen in Kirgistan!“ Zehn Jahre später war es an der Zeit, nach dem aktuellen Motto: Jetzt oder nie!

 

 

Erster Schritt: wieder Google befragen. Zu meiner freudigen Überraschung arbeitet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) schon seit langem in Kirgistan.

Reise-KnowHow: Keine Ahnung wie dieses Land richtig heißt. Ich lasse mir sagen, offiziell heißt es Kirgisische Republik. Gehört habe ich bisher auch Kirgisistan, Kirgistan und Kirgisien. Auf Englisch heißt es „Kyrgyzstan“, weshalb ich der Einfachheit halber auch im Deutschen „Kirgistan“ benutze.

Die freundliche NABU-Pressestelle in Berlin hat mich mit den Leuten vor Ort in Kontakt gebracht. So kommt es, dass ich gleich in meiner ersten Woche in Kirgistan echten Schneeleoparden begegne.

Im NABU-Reha-Zentrum leben fünf der Großkatzen in einem 7000 Quatratmeter großen Gehege. Drei von ihnen wurden vor einigen Jahren aus den Fangeisen von Wilderern gerettet. Wegen den schweren Verletzungen an den Pfoten war ein Leben in freier Wildbahn nicht mehr möglich. Dann ist die Population versehentlich gewachsen und es gab vier Junge.  Die beiden männlichen Tiere hatten eine Augenkrankheit und sind in den Zoo nach Almaty, Kasachstan umgezogen. Die beiden gesunden Weibchen durften bleiben, aber gezüchtet wird nicht mehr – „immerhin ist es ein Reha-Zentrum und kein Zoo“, sagt der NABU.

Dieses Reha-Zentrum liegt nördlich des Issyk-Kul, einem Bergsee auf 1600 Metern über dem Meeresspiegel. Übersetzt bedeutet der Name „heißer See“, weil er im Winter nie zufriert. Die Gegend ist ziemlich idyllisch und meine Woche dort verläuft sehr entspannt. Allerdings sprechen die Ranger kein Englisch und zusammen mit dem NABU-Praktikanten Simon kann ich so einiges für mein Russisch tun.

Die kirgisische Gastfreundschaft ist so ähnlich wie die mongolische und wir waren weit weit weg vom Hungertod. „Kushet! Kushet!“, „Iss! Iss!“, heißt es immer. Wer nein sagt, bekommt die größte Portion. Arbeiten darf man als Gast nicht, außer Wandern und Esel (= Leopardenfutter) streicheln steht nicht viel auf dem Programm.

Nach dem Besuch im Reha-Zentrum geht es mit der „Gruppa Bars“, zu deutsch „Gruppe Schneeleopard“ in die Berge. Diese vierköpfige Wildhüter-Spezialeinheit wurde 1999 extra zum Leo-Schutz gegründet. In den 2000er Jahren ging es heiß her mit der illegalen Jagd und dem Pelzhandel. Bei unserem Ausflug stehen aber die neuen NABU-Fotofallen im Mittelpunkt. Das sind Kameras mit Bewegungsmelder. Sie lösen aus, wenn sich etwas Großes vor dem Sensor bewegt. Bis auf 3800 Meter müssen wir steigen, um die Chipkarten zu kontrollieren.

Ich hatte mir zunächst Sorgen gemacht, dass ich mit den Jungs nicht mithalten kann. Zu Fuß ist es kein Problem, zu Leber dafür um so mehr. „Wodka ist das beste Mittel gegen Höhenkrankheit“, glaubt man hier. Und weil man sich so um meine Gesundheit sorgt, fließt die Medizin in Strömen. Am nächsten Tag muss ich beim Auto warten. Unter anderem deshalb, weil meine Schuhe komplett durchnässt sind. Denn am Vortag bin ich – völlig nüchtern – zweimal in den Fluss gefallen.

Die nächste Nacht verbringen wir im Biosphären-Zentrum am Issyk-Kul. Ganz zufällig auf einem Plakat im Treppenhaus sehe ich es, das perfekte Fotofallen-Bild eines Schneeleoparden: Schräg von hinten schaut die Katze an der Kamara vobei, im Hintergrund die Berge – alles in Farbe mit einem alt-matten Schimmer. Wie ich später herausfinde, wurde das Foto auf Film aufgenommen, nicht digital.

Aber wer hat es gemacht? Niemand weiß das so wirklich. Jemand erwähnt den Snow Leopard Trust, ein internationales NGO (Non-governmental Organization), das auch am Monitoring arbeitet, also am Zählen der Schneeleoparden. Über viele Umwege finde ich die Nummer des Bischkeker Büros – frustrierende aber gleichzeitig auch spannende Detektivarbeit.

Zu meinem Glück ist Geschäftsstellen-Leiter Kuban ein freundlicher und kompetenter Zeitgenosse. Er versorgt mich mit viel wissenschaftlicher Info und mit etlichen Fotofallen-Bildern – inklusive der großartigen Aufnahme aus dem Biosphären-Zentrum. Zu bewundern ist das Ergebnis der Arbeit nun auf der Website von National Geographic: Schneeleoparden – Inventur bei den Berggeistern.