Die Fahrerin wiederholt ihren Satz auf Russisch zum fünften Mal. Ich wiederhole meinen auf Englisch zum fünften Mal: „Wie viel kostet es zum Jaroslawski-Bahnhof?“ Wir verstehen uns nicht. Am Tonfall merke ich, dass sie wütend wird. Sie öffnet die Tür und deutet mit dem Finger nach draußen.
So werde ich also in Moskau aus der Tram geworfen. Dass man mit Englisch hier nicht weit kommt, hatte ich schon vorher gehört, aber das wahre Ausmaß spürt man erst vor Ort. Ob Tramfahrerin, Kassiererin im Supermarkt, Kiosktante oder Bahnhofspersonal, sie sprechen alle nur Russisch. Es funktioniert trotzdem, nur unter Zeitdruck darf man nicht stehen.
Am Flughafen ist noch alles gut: Euro in Rubel umtauschen geht auch stumm. Vom Flughafen in die Stadt kommt man relativ einfach mit dem Airportexpress (320 Rubel umgerechnet etwa 8 Euro), die Automaten bieten sogar deutsche und englische Sprachauswahl. Aber dann fängt es schon an. Wo muss ich aussteigen? Die Lösung: Fragend zu anderen Fahrgästen blicken, „Paveleckaja?“ –Nicken. Ok, ich steige hier aus.
Dann einfach dem Menschenstrom nach, bis man sich in der Metro wiederfindet. Hier sprechen auch die Fahrkartenautomaten nur Russisch. Ganz intuitiv drückt man am Touchscreen auf das Feld mit der niedrigsten Zahl (30 Rubel, ein Einzelfahrticket, wie ich später in der Tram feststellen musste). So komme ich durch den Kartenleser, aber wo muss ich hin? Zu meinem Glück ist Prospekt Mira in kyrillisch sehr leicht wiederzuerkennen und durch’s U-Bahn Labyrinth konnte ich einfach den Schildern nachgehen, nicht viel schlimmer als am Hauptbahnhof in München.
Weil ich alles recht kurzfristig gebucht hatte, muss ich meine Transsib-Tickets im TIS Reisebüro abholen, dem russischen Partner der Bahnagentur Schöneberg in Berlin. Die hatten die Fahrt für mich gebucht. Ich habe noch etwas Zeit und verbringe den Vormittag in einem Café. Das Internet ist umsonst, aber dafür kostet der Cappuccino umgerechnet etwa fünf Euro.
Das TIS ist zwar nicht weit weg, aber schwer zu finden. Manche Passanten, auch wenn sie kein Englisch können, helfen gern, zum Beispiel eine Gruppe Arbeiter an der Tramhaltestelle. Einer tippt erfolglos am Smartphone herum und die anderen beiden sind sich über die Richtung nicht einig. Trotzdem lachen wir und ich lerne ein wenig Russisch. Nachdem ich das TIS dann endlich gefunden hatte, waren meine Fahrkarten nicht da. Aufregen kann ich mich an dem Punkt nicht mehr, die Nacht ohne Schlaf hat mir zu schaffen gemacht. „Wird schon klappen“, denke ich und schlafe auf der Couch ein.
Es klappt. Ich bekomme meine Karten und mache mich auf den Weg zum Bahnhof, an dem die Transsibirische Eisenbahn hält: „Jaroslawski Vozkal“. Bei der nächsten Tram habe ich mehr Glück: ein Fahrgast übersetzt für mich und ich komme früh genug an. Die Zeit reicht, um im Supermarkt Proviant zu besorgen und dann einige Stunden am Bahnhof im Regen zu sitzen.
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