Nur Urlaub machen reicht nicht mehr, heute muss die ganze Welt erfahren, dass Tante Inge auf Teneriffa auf einen Seeigel getreten ist oder, wo es in Novosibirsk den billigsten Wodka gibt. Der Trend geht zum Reiseblog – wer noch kein Internet-Tagebuch hat, überlegt sich eines anzuschaffen.

Hier ist Vorsicht geboten, denn Blogger-Aspiranten unterschätzen den Arbeitsaufwand und vergessen: Sie haben es nicht mit einer Sache zu tun, wie dem Real-Life-Tagebuch aus Papier, sondern mit einem virtuellen Haustier, und zwar einem sehr Anspruchsvollen. Schon vor der Anschaffung muss man Lebensraum kreieren und einen passenden Serverplatz finden. Hier am besten schon die Frage klären: Wird der Reiseblog ein Chihuahua-großer, chronologischer Einseiter oder die Dänische Blogge mit Fotoalben und Videos?

Bald merkt der künftige Blogger, dass er User ist und kein Programmierer und das schöne Layout, das er im Kopf hatte, nicht realisieren kann. Keine der vielen kostenlosen Vorlagen will passen. Man beginnt, sich die Haare zu raufen. Ein Tipp für geistige Gesundheit: Wer schon konkrete Vorstellungen hat, am besten gleich zum Webdesigner gehen.

Hat man an dem Punkt das Projekt noch nicht eingeschläfert und ist lieber in Urlaub gefahren, fängt die eigentliche Arbeit erst an. „Fütter mich!“, schreit der Kleine. Content will er haben, und zwar regelmäßig, am besten täglich, mindestens jede Woche, sonst springen die Leser ab, wie durstige Flöhe. Der Reiseblog lebt von Aufmerksamkeit und will die Clicks der eiligen Netzpassanten erhaschen.

Ab und zu vergisst man eine Aktualisierung, oder man bemerkt die lästigen Bugs im Quellcode nicht. Wenn der Reiseblog die hochgeladenen Fotos wieder ausspuckt, sich versteckt oder gar nur eine weiße Seite anzeigt, sofort ab damit zum „Tierarzt“.

Weil die Leute erst hinterher merken, wie viel Arbeit so ein Reiseblog macht, enden viele der possierlichen Websites verlassen am Seitenstreifen der Datenautobahn. Weil das Internet nichts vergisst, sitzen sie dort für immer, rutschen unweigerlich abwärts auf der Google-Trefferliste und warten mit großen, traurigen Augen auf die Rückkehr ihres Besitzers. Der hat sich zumeist schon neuen, weniger arbeitsintensiven Projekten zugewandt und hält sich zum Beispiel einen Twitter. Die kleinen Pipmätze kommen mit viel weniger Futter aus.