„Hier können Sie aber nicht Parken!“ sagt der Mann und wedelt mit dem Schraubenschlüssel in der Luft herum. Ich stehe auf einem Schotterplatz neben der Straße und noch bevor ich aussteigen kann, war der Anwohner da, um mich aufzuklären: „Sie müssen sich schon auf die gekennzeichneten Parkflächen stellen.“ Nach acht Monaten Kirgistan ist die Schweizer Pedanterie ein Kulturschock für mich. Und wehe die Vorderreifen schauen über die weisse Linie!

Als der Mann gerade weg ist, kommt Sybille mit ihrem Hund aus dem Haus. „Da hast du ja schon dein erstes Schweiz-Erlebnis“, lacht sie, „das mit dem Schraubenschlüssel sah gefährlich aus.“ Bei einem Glas Wein klärt sie mich später über andere Fettnäpfchen auf, in die man in der Schweiz schnell treten kann: In der Bäckerei sagt man nicht „Ich kriege…“ sondern „Könnte ich bitte haben“ und wenn das Recycling-Auto kommt, dann gehören die Briefumschläge zu den Kartons und nicht zum Altpapier. Die schlimmste Falle, in die man hier tappen kann, ist aber die Radarfalle, da können 20 drüber mal so 1000 Franken (ca. 820 Euro) kosten.

Am nächsten Tag gehen wir bei nass-kaltem Wetter am Türler See spazieren. Auch wenn man die frischen Wiesen um den Campingplatz nicht betreten darf, sind sie doch ein schöner Anblick. Gleich am Nachmittag geht es weiter, mit dem Auto vom Kanton Zürich nach Uri. Ich atme auf, als ich feststelle, dass die meisten Tankstellen auch Euros nehmen. Um Geldautomaten mache ich derzeit einen weiten Bogen – hat mit meinem Kontostand zu tun.

Bei der Fahrt durch die Berge hat man eine schöne Aussicht, vor allem, wenn auf der einspurigen Serpentinen-Straße jemand mit Anhänger nur 30 fährt. Es kann aber auch passieren, dass die Aussicht plötzlich futsch ist, weil Nebelsuppe. Dann macht einem das mit dem Anhänger gar nicht mehr so viel aus. Gegen Abend komme ich in Hospental an. Das Bergdorf auf 1500 Metern liegt gleich neben dem Skigebiet Andermatt. Erst am nächsten Tag, als der Nebel weg ist, sehe ich das umwerfende Alpenpanorama, grüne Wiesen mit weißen Gipfeln im Hintergrund.

Gleich mal „Grüezi“ sagen zu den neuen Arbeitskollegen, das Braunvieh und ich werden in den nächsten Monaten sicher ganz dicke Freunde werden. Hier noch eine der interessantesten Informationen des heutigen Tages: Skitouren-Saison bis Juni! Aber morgen steht erst mal Steinelesen auf dem Programm. Da kommt schon mal kein Heimweh auf, denn Steine gab es auf den Feldern im Frankenjura auch immer genug.

Mögen sie auch Pedanten sein, so habe ich die Schweizer bisher als offenes und freundliches Volk erlebt. Ich bin ja von den Franken und den Österreichern eher einsilbige Gespräche gewöhnt (wenn auch ziemlich Lustige) und war überrascht, wie schnell man hier ins Familienleben mit eingebunden wird.