Der Taxifahrer fragt mich: „Was war dein erster Eindruck von Almaty?“ Ich antworte: „Eine hundsgemeine Abzocke durch einen Taxifahrer.“
Ich bin am Morgen mit der Maschrutka von Bishkek (Kirgistan) nach Almaty (Kasachstan) gefahren:
- Kostenpunkt: 500 Som (8 Euro) one-way
- Fahrzeit: etwa fünf Stunden
- Grenzposten: Korday
- Grund: Visumsverlängerung (kasachisches Visum 30 Dollar, Visum bei Einreise nach Kirgistan: umsonst)
Von der Busstation aus nehme ich ein Taxi zur Ecke Gogol und Furmanova, im Zentrum von Almaty. Dass der Preis für Touristen höher ist, als für Einheimische ist mir klar. Allerdings war ich von Kirgistan einen Aufschlag von etwa einem Drittel gewohnt. Dieser Taxifahrer erhöht den Preis um das Achtfache, also 4000 kasachische Tenge für eine Strecke, die normalerweise 500 kostet. Ich freue mich, als ich ihn auf 3000 (knapp 20 US Dollar) herunterhandle. Er grinst nur, nickt und fährt los.
Als ich meiner Couchsurfing-Gastgeberin Olga davon erzähle, macht sie große Augen und entschuldigt sich: „Ich hätte dir vorher sagen sollen, wie viel es kostet.“ Olga ist allgemein ziemlich lieb und zeigt mir sofort mein Zimmer in ihrer geräumigen Wohnung. Ich bekomme sofort einen Tee serviert, zusammen mit dem WLAN-Passwort. Als ich sie frage, ob ich sie zum Mittagessen einladen kann, bekomme ich nur eine Gegenfrage als Antwort: „Möchtest du zum nachträglichen Weihnachtsessen mit zu meiner Mutter kommen?“ Wir bestellen ein Taxi und Olga, die von Beruf Russisch-englisch-Übersetzerin ist, hilft mir beim Gespräch mit dem neuen Taxifahrer. Der schüttelt nur entsetzt den Kopf, als ich ihm von meiner ersten Taxi-Erfahrung erzähle.
Das Essen bei Olgas Mutter und ihrem Lebensgefährten stellt sich als sehr unterhaltsam heraus. In ihrer Jugend war die Frau Hobby-Fallschirmspringerin und Scharfschützin. Mit ihrem Mann, einem russischen Soldaten ist sie viel gereist und hat auch in Kirgistan und Tajikistan gelebt. Ganz nebenbei erzählt sie mir auch von ihrer Begegnung mit einem wilden Schneeleoparden. Dabei haben die wenigsten Menschen die scheue Großkatze in freier Wildbahn gesehen. Seit mehr als zehn Jahren meditiert sie täglich und trifft sich regelmäßig mit ihrem indischen Guru. Daher ist das Weihnachtsessen vegetarisch – extrem untypisch für die Region. Ich höre den Erzählungen von Olgas Mutter gebannt zu und schaue mir die Familienfotos an, die sie nebenbei zeigt.
Olga erzählt mir von ihrem Bruder, der nun mit seiner Frau in St. Petersburg lebt. Sie würde ihn zwar gerne öfters besuchen, aber ihr gefällt es dort nicht sehr gut. „In Russland sehen die Leute auf uns herab“, erklärt sie. Mit „uns“ meint sie die russich-stämmigen Bürger, der Ex-Sowjet Staaten. „Wir sprechen zwar auch Russisch, aber haben einen anderen Dialekt. Einmal wollten sie mir in einem Geschäft deshalb nichts verkaufen“, erzählt Olga.
Am nächsten Tag muss Olga zur Arbeit und ich versuche, Zeit totzuschlagen. Meine Heimreise ist erst Übermorgen geplant. Drei Tage sind nicht genug, um einen anständigen Trip aufs Land zu machen. Obwohl ich schon sagen muss, dass mich die bedrohten Saiga-Antilopen mit ihren niedlichen Rüsseln schon ziemlich interessiert hätten. In China macht man aus ihren Hörnern Medizin, weshalb sie gerne geschmuggelt werden. Die Grenzpatroullien bilden derzeit Hunde aus, um die Saiga-Hörner im Gepäck aufzuspüren. Die Fahrt in das Altyn Dala Schutzgebiet, wo die Saiga-Antilopen leben, hätte allerdings einen ganzen Tag gedauert und war auch wegen der Schneeverhältnisse schwierig.
Um mich trotzdem vor dem Großstadt-Stress und sämtlicher kultureller Bildung zu drücken, beschließe ich, in den Zoo zu gehen. Normalerweise bin ich kein großer Fan des Wildtier-im-Käfig-Prinzips, aber an diesem eiskalten Wintermorgen ist es die einzige interessante Alternative. Zudem hatte ich im NABU-Reha-Zentrum in Kirgistan eine Geschichte gehört, der ich nachgehen wollte.
Vor einigen Jahren wurden dort zwei Schneeleoparden mit einer genetisch-bedingten Augenerkrankung geboren. Damit sie operiert werden konnten, wurden sie an den Almaty Zoo abgegeben. „Wenn ich schon hier bin, dann kann ich mir die beiden auch einmal ansehen“, denke ich mir. Der Weg zum Zoo führt durch den riesigen Gorki Vergnügungspark, der an diesem Montagmorgen geschlossen ist. Die Fahrgeschäfte und Buden stehen schneebedeckt in der stillen Landschaft. Hinter einer Tanne schauen mich zwei Rehskulpturen mit großen Augen an.
Im Zoo bin ich der einzige Besucher und auch die meisten Gehege stehen leer. Den Elefanten und Giraffen ist es heute zu kalt. Ich mache mir aber keine Sorgen, denn für Schneeleoparden ist es genau das richtige Wetter. Nachdem ich zum dritten Mal die Runde drehe, und zwar Wölfe, Tiger und indische Leoparden finde, aber keinen Schneeleoparden, gehe ich zum Verwaltungsgebäude. Eigentlich wollte ich nur fragen, ob mir jemand auf Englisch Auskunft geben kann.
Der stellvertretende Direktor freut sich über meinen Besuch und stellt mich sofort einer Wildtierbiologin vor. Dann bestellt er noch eine Übersetzerin aus der Stadt und ich erfahre alles über die Augenkrankheit der beiden Schneeleoparden und die Operation, die von einem kasachischen Spezialisten durchgeführt wurde. Am Ende fährt mich der zooeigene Fahrer nach Hause. Das nenne ich mal Gastfreundschaft.
Was mich bei meinem Spaziergang durch den Almaty Zoo noch amüsiert hat, war Folgendes: Neben dem Gehege mit den niedlichen Rehen steht ein Schießstand.
Meine restliche Zeit in Almaty war ziemlich Rum-durchsetzt. Aus einem der vielen angetrunkenen Gespräche mit einem russischen Bekannten habe ich von den Breitschwanzfellen der Karakulschafe erfahren. Seine Pelzjecke war zwar flauschig warm aber von der Fellkonsistenz nicht einzuordnen. Als ich frage, welches Tier das einmal war, antwortet er mir nur: „abgetriebene Schafsbabys“. „Aha, interessant“, denke ich und google die Geschichte später. Es stimmt, das gibt es wirklich. Hier ein Wikipedia-Artikel zum Thema.
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